Warum ausgerechnet ich?

Ehrlich gesagt, war diese Frage nicht die erste, die ich mir stellte. Auch jetzt ist sie nicht Beschäftigung schlafloser Nächte. Aber es ist eine oft gestellte Frage, darum will ich dazu etwas sagen.

Warum "Warum gerade ich?"

Warum stellen wir eigentlich so gerne die Warum-Frage? Nun, wir Menschen sind so geschaffen, dass wir überall gerne Zusammenhänge sehen wollen. Das ist eine sehr nützlich Eigenschaft, ohne die wir es kulturell, gesellschaftlich und technisch nicht so weit gebracht hätten. Die Zusammenhänge, mit denen sich Tiere gern beschäftigen, sind einfacherer Natur: wo gibt es Futter, wann gibt es Futter, welche Katze ist gerade rollig usw. Deswegen bauen Katzen keine Autos.
Sie grübeln aber auch nicht über schwerwiegende philosophische Fragen. Jedenfalls nehme ich das an, nach allem, was wir an Katzen beobachten. Der Mensch aber grübelt auch dort weiter, wo er damit an seine Grenzen stößt. Daher die schlaflosen Nächte und die rastlosen Forscher.
Oft gibt es keine eindeutige Antwort. An diesem Punkt bleiben zwei Möglichkeiten: aufhören, zu grübeln und versuchen, das Leben trotzdem zu genießen. Oder mit einer mehr oder weniger vorläufigen Antwort weitermachen. Denn eine Antwort entlastet und gibt neue Handlungsmöglichkeiten (ich erklär's gleich).

Auf der Suche nach Antworten

Krebs ist so ein Punkt. Die Krankheit kommt meistens aus heiterem Himmel. Natürlich gibt es Risikofaktoren. Für Bauchspeicheldrüsen-Krebs sind das Alkohol- und Drogenmissbrauch. Wer mich kennt, weiß, dass beides bei mir nicht die Ursache sein kann.
Was aber dann? Ach, natürlich, der Handymast gegenüber. Oder die Erdstrahlen von unten? Dass ich nicht im Rhytmus des Mondes gelebt habe. Vielleicht auch unsere künstlichen, industriellen und vergifteten Nahrungsmittel. Keine dieser Erklärungen ist wirklich nachweisbar, am wenigsten für den konkreten Einzelfall. Aber manchem sind Erklärungen dennoch willkommen: nicht ein blindes Schicksal hat mich getroffen, sondern ich habe etwas falsch gemacht. Und: wenn ich mich jetzt "richtig" ernähre, dann kann ich noch etwas gegen den Krebs tun.
Ich hätte nie gedacht, wie viele Krebs-Experten es gibt!
Die schönsten Erklärungen sind die, die Nichtbetroffene für den Kranken haben. "Das ist ja kein Wunder, dass der Krebs bekommen hat. Das musste ja direkt so kommen." Damit verbindet sich dann die Überzeugung: mir kann das nicht passieren, denn ich ernähre mich ja gesund, habe eine Anti-Strahlen-Kiste unterm Bett, benutze kein Handy usw. Das schafft dann Sicherheit in einer unsicheren Welt, in der es eigentlich jeden jederzeit treffen kann.
Übrigens brauchen wir diese Scheinsicherheit auch, wenn wir Behinderte treffen. Eine Erklärung, warum der oder die im Rollstuhl sitzt und es mir angeblich nicht passieren kann. Wenn ein Baby unterwegs ist, dann baut die Medizin vor dir eine Fassade auf: wir haben alles im Griff, Behinderungen sind durch die Pränataldiagnostik zu 100% vermeidbar. Dass das nicht stimmt, wissen wir alle (wenn wir es wissen wollen). Und es verunsichert die Mütter auch sehr.

"Gott ist schuld"

Gott muss auch oft für eine Erklärung herhalten. Davon gibt es eine (scheinbar) fromme und eine weniger fromme Variante. Erstere sagt: Gott macht alles richtig, also hat er einen Grund dafür, dass es dir schlecht geht. Folglich hast du gesündigt, weshalb Gott dich jetzt straft. Die zweite Variante sagt es rundheraus: Gott ist ungerecht, er lässt die leiden, die es gar nicht verdient haben. Solche Menschen klagen oftmals Gott an. Wer das so direkt wieder nicht tun möchte, schiebt eben dem Teufel die Schuld in die Schuhe.
Von beiden Anschauungen gibt es viele Spielarten. Das Grundproblem aber bleibt: wie kriegen wir folgende Punkte auf die Reihe?
  1. Gott ist gut und meint es gut mit seinen Geschöpfen.
  2. Gott kann alles (also auch Krebs beseitigen).
  3. Gott weiß alles (also kann es ihm nicht entgangen sein, dass ich krank bin).
  4. Trotzdem lässt er zu, dass ich Krebs habe.
Lösungsversuche gibt es, wie gesagt, viele. Man kann z.B. den Schluss ziehen, Gott sei gar nicht gut. Oder es gäbe ihn gar nicht, oder nicht mehr. Oder er kann auch nichts dran ändern — doch wie kann er sich dann "Gott" nennen? Usw. usw.
Wenn man am Glauben, wie ihn die Bibel darlegt, festhalten will, dann sucht man nach einer Erklärung. Aus welchen Gründen kann ein guter Gott doch etwas Übles schicken bzw. zulassen? Etwa als eine Strafe, oder besser als eine Erziehungsmaßnahme, die einen Menschen zur Einsicht bringen soll.
Mancher erhebt hier schon wieder Protest: Gott ist nur gut, er hat mit Bösem oder Schlechtem nichts zu tun, das kommt alles vom Teufel und von der Sünde. — Im Prinzip Ja. Doch wer hat wiederum den Teufel erschaffen? Warum tut Gott nichts gegen den Teufel. Usw. usw.

Vertrauen im Nebel offener Fragen

Auch hier bilden die vielen offenen und unklärbaren Fragen einen dichten Nebel. Man kann — und sollte, wie ich meine — sich Überlegungen anstellen, welche Gründe Gott haben könnte, so zu handeln. Manchmal gibt auch die Bibel einen Einblick, oder besser gesagt eine Ahnung von dem, was in Ihm vorgeht. Doch sagt sie auch klar: den Allmächtigen können wir gar nicht verstehen.
Das müssen wir auch nicht. Wir können uns einfach in seine Arme fallen lassen. Ihm vertrauen, dass es stimmt, was er über sich selbst sagt:
"So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben." (Joh 3,16)
Zu dieser heil- und gottlosen Welt gehöre auch ich. Hier wird mir aber gesagt: du bist Gott keineswegs egal. Gott wartet auch nicht in seinem Himmelssaal darauf, dass du dich erstmal besserst und du dich irgendwie zu ihm emporarbeitest. Sondern er kommt runter zu dir, in Jesus Christus. Er kommt nicht mal kurz vorbei, wie ein Präsident auf Staatsbesuch. Sein ganzes Leben auf dieser Welt hat Jesus nur dem Ziel geopfert, dich vor dem Verlorenwerden zu retten. Deswegen starb er am Kreuz, für deine Schuld. Deswegen ist er auferstanden vom Tod, um dir ewiges Leben zu geben.
Wow! Jesus hat sich ganz für mich eingesetzt. Das steckt in diesem alten Wörtchen "dahingeben" drin. Wenn Gott mir diesen Jesus schickt, dann muss er mich lieben. Dann meint er es gut. Also stimmt der Satz "Ich bin krank, Gott hat mich nicht mehr lieb" nicht. Krankheit, Pech und Not sind keine Indizien dafür, dass ein Mensch bei Gott weniger wert ist. Beispiele dafür gibt es viele, angefangen bei Jesus selbst über Paulus und viele ehrbare Christen bis heute.
Auf den ersten Blick mag dieser Glaube aussehen wie die oben geschilderte Notlösung, eben lieber krampfhaft an einer der unbestätigten Erklärungen festzuhalten als in der Unsicherheit zu bleiben. Oder anders ausgedrückt: im Nebel lieber tapfer irgend einen Weg zu gehen, als stehenzubleiben. Doch der Unterschied ist der, dass da noch jemand im Nebel ist. Ich kann ihn nicht richtig erkennen. Aber er kennt sich hier aus. Und er sieht mich ganz genau.

Auch Christen muss es treffen

Es wäre ja auch ein wenig einfach, wenn über den frommen Leuten stets die Sonne scheinen würde. Wenn man die "echten" Heiligen am Wohlstand und der strotzenden Gesundheit erkennen würde statt an Liebe und Demut. Wenn Christen einfach nie krank würden. Und wie voll wären die Kirchen dann! Wer keinen Schnupfen kriegen will, geht eben in die Kirche statt in die Sauna. Doch das wären dann wieder keine "echten" Christen, weil es denen ja bloß um die Gesundheit geht. Usw. usw.
Meine Großtante, die vor etlichen Jahren an Krebs erkrankte und daran starb, sagte: "Wieso? Dazu bin ich Christ, dass ich in solchen Situationen nicht verzweifle." Und bei der Beerdigung der Mutter meiner Schwägerin wurde mir klar: es hinterlässt einen tiefen Eindruck, wie jemand mit seinem bevorstehenden Tod umgeht.
Es muss also auch Christen mal ein hartes Schicksal treffen. Wie sonst sollen die anderen, die nicht glauben können oder wollen, sehen, dass man anders damit umgehen kann? Dass im Nebel der Existenz- und Weltfragen tatsächlich einer den Durchblick hat. Er nimmt die an die Hand, die das wollen. Und er tut Wunder. Manchmal heilt er von unheilbaren Krankheiten. Manchmal schenkt er Hoffnung und Gelassenheit trotzeiner unheilbaren Krankheit. Beides ist ein Wunder.

Warum gerade ich?

Warum also habe gerade ich Krebs? Du wirst Dir denken können, dass ich nach all dem oben gesagten jetzt auch keine Ein-Satz-Antwort darauf präsentieren werde. Genau, denn Leute, für die Gott immer logisch, erklärbar und verständlich ist, sind mir sehr suspekt (z.B. die Zeugen Jehovas).
Vielleicht aber bist gerade Du der tiefere Sinn der ganzen Geschichte? Ich weiß ja nicht, wer das so alles lesen wird, wer aus den Weiten des World-Webs hier vorbeigesurft kommt. Aber vielleicht steht ist alles nur passiert und diese Seite nur geschrieben worden, damit Du es heute liest. Damit Du heute über Gott nachdenkst, ihn suchst und — Dich von Ihm finden lässt.
Denk mal drüber nach!

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